Universitätsklinikum St. Pölten: Schluckstörungen – Eine unterschätzte Komplikation

ST. PÖLTEN – An den vier Intensivstationen der Klinischen Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin werden am Universitätsklinikum St. Pölten jährlich rund 2.000 kritisch erkrankte Patientinnen und Patienten betreut. Das Patientendurchschnittsalter liegt bei 64,5 Jahren, aber auch Kinder und Jugendliche benötigen immer wieder intensivmedizinische Hilfe. Eine unterschätzte Komplikation nach einem langen Intensivaufenthalt ist der Verlust des Schluckvermögens. Ein Projektteam, bestehend aus Pflege, Medizin, Logopädie und Diätologie, entwickelte ein umfassendes Konzept und setzte so neue Maßstäbe.

Der Schluckakt des Menschen ist ein hochkomplexer, teilweise automatisierter Vorgang. Nicht weniger als 26 Muskelpaare und fünf Hirnnervenpaare sind dafür verantwortlich, dass der zerkaute Nahrungsbrei und getrunkene Flüssigkeiten vorbei am Kehlkopf und der Lunge, sicher über die Speiseröhre in den Magen gelangen. Dieser willentlich nicht beeinflussbare Vorgang wird auch als Schluckreflex bezeichnet und ist schon bei Neugeborenen vorhanden. Ist dieser Vorgang gestört, kommt es zum „Verschlucken“, also zur Aspiration von Speichel, Essen und Trinken.

Im Laufe unseres Lebens kommt es zu einer allmählichen Verlangsamung des Schluckreflexes, dies wird auch als Altersschluckstörung bezeichnet. Weitere Ursachen sind Schlaganfall, Demenz und Multiple Sklerose.

Weniger bekannt ist jedoch, dass Intensivpatientinnen und -patienten ein hohes Risiko haben, eine Schluckstörung zu entwickeln. Hier liegen die Gründe oft an der notwendigen intensivmedizinischen Behandlung, wie Beatmung und Sedierung - die Patientinnen und Patienten verlernen zu schlucken. Die Folgen für die Betroffenen sind jedoch immer gravierend. Sie dürfen nicht mehr essen und trinken, die Ernährung wird über Magensonden oder über die Venen verabreicht. Durch das permanente Aspirieren von Speichel kommt es häufig zu Lungenentzündungen und verlängerten Krankenhausaufenthalten. Rasch erkannt und frühzeitig behandelt, sind die Chancen jedoch hoch, dass der Schluckakt wieder schnell erlernt wird.

„Wir beobachteten die Häufigkeit von Schluckstörungen an unserer Station und wollten  einen Weg finden, diese schnell und sicher zu erkennen, um die geeigneten pflegerischen, medizinischen und therapeutischen Maßnahmen setzen zu können“, erklärt DGKP Martin Wagner, Stationsleitung der IBS1 der Klinischen Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin am Universitätsklinikum St. Pölten.

Die erste Datenauswertung im Zeitraum von April bis Juni 2019 hat gezeigt, dass 18,4 % der betreuten Patientinnen und Patienten unter einer Schluckstörung litten. Um eine gemeinsame, interdisziplinäre Sichtweise zu garantieren, wurde ein Projektteam, bestehend aus Pflege, Medizin, Logopädie und Diätologie gegründet und ein umfassendes Konzept entwickelt.

 

Die Eckpfeiler dieses Konzeptes sind:

  • Standardisiertes Bewerten des Schluckvermögens, autonom durch den gehobenen Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege mithilfe eines validen Assessments (Gugging Swallowing Screen)
  • Ernährungsempfehlungen aufbauend auf den Untersuchungsergebnissen
  • Unverzügliche logopädische Begutachtung
  • Weitere endoskopische Abklärung (FEES)

 

Um dieses Konzept in die Praxis umsetzen zu können, wurde als erster Schritt der  gehobene Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege in der theoretischen und praktischen Anwendung der „Gugging Swallowing Screen“ geschult. Mit Hilfe des neu angeschafften Schluckendoskops ist es der Logopädie nun möglich, direkt auf der Intensivstation eine funktionelle endoskopische Schluckuntersuchung (FEES) durchzuführen.

„Durch dieses Konzept ist es uns gelungen, unseren Patientinnen und Patienten schnell und effektiv zu helfen - damit setzt das UK St. Pölten neue Maßstäbe“, freut sich das Projektteam.

 

BILDTEXT
OÄ Dr. Helga Dier, PM.ME., Anna Glück-Aschauer, STL Martin Wagner, BSc und Edith Sommerauer, BSc

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